Beispiel 2 fragwürdiger Tierversuche in der Schweiz: Hundeknie-Transplantationen in Basel
|
PMID: 10968532 [PubMed - indexed for MEDLINE] Quelle: Medline
Auf diesen Versuch aufmerksam gemacht wurden wir vom Schweizerischen Tierschutz, Fachstelle Gentechnologie und Tierversuche, Frau Norma Schenkel, Diplombiologin.
Bewertung der Ärztinnen und Ärzte für Tierschutz in der Medizin
1. Bewertung des Schweregrads des Tierversuchs
gemäss Richtlinien des Bundesamtes für Veterinärwesen BVET 1.04 'Einteilung von Tierversuchen nach Schweregrad'.
(Schweregrad 0 = keine Belastung, Grad 1 = leichte Belastung, Grad 2 = mittlere Belastung, Grad 3 = schwere Belastung)
Schweregrad 3 = grosse Belastung
Begründung: Gemäss Richtlinien des BVET klassieren explizit Gelenktransplantationen als Schweregrad 3.
2. Bewertung des Nutzens für Mensch und Tier
gemäss Richtlinien der Ärztinnen und Ärzte für Tierschutz in der Medizin.
Anmerkung: Zur Bewertung des Nutzens eines Tierversuchs gibt es keine etablierte Skala analog der obigen des Bundesamtes für Veterinärmedizin für die Belastung.
Die Ärztinnen und Ärzte für Tierschutz in der Medizin sind deshalb daran, ein entsprechendes Bewertungsschema zu entwerfen mit den groben Eckdaten Nützlichkeitsgrad 0 = kein Nutzen absehbar für Mensch oder Tier, Grad 1 = leichter Nutzen, Grad 2 = mittlerer Nutzen, Grad 3 = hoher Nutzen. Die Bewertung erfolgt durch erfahrene Ärzte verschiedener Fachrichtungen, wozu auch Nicht-Mitglieder der Ärzte für Tierschutz beigezogen werden.
In diesem konkreten Beispiel wurde die Arbeit durch 17 Ärzte beurteilt, wovon 9 NICHT Mitglieder der Ärztinnen und Ärzte für Tierschutz in der Medizin sind, unter den letzteren auch ein Orthopäde.
Nützlichkeitsgrad 0-1 = kein Nutzen oder nur ein fraglicher Nutzen erkennbar für Mensch und Tier
Begründung: Die Kniegelenkstransplantation kommt beim Menschen kaum in Frage. Einerseits gibt es seit Jahrzehnten Kniegelenksprothesen, die mit grossem Erfolg implantiert werden und die immer bessere Resultate liefern. Andererseits müsste bei der Kniegelenkstransplantation von einem Spender wie bei jeder Organtransplantation mit einer Abstossungsreaktion gerechnet werden. Eine Abstossungsreaktion muss mit starken immunsupprimierenden Medikamenten verhindert werden. Diese Medikamente sind oft nebenwirkungsreich.
Die problemträchtige Transplantation mit Immunsuppression ist deshalb kaum eine Alternative zur bereits etablierten Kniegelenksprothese, die relativ unproblematisch ist.
3. Abwägung von Belastung für das Tier und zu erwartendem Nutzen
Auf der Seite der Belastung für das Tier besteht die höchste Belastungskategorie 3, einerseits gemäss bvet-Belastungskategorien, andererseits aufgrund des Verlaufs, indem ein Hund an einer Sepsis (Blutvergiftung) verstarb, ein anderer die Funktion seines transplantierten Knies verlor.
Dem gegenüber steht ein nicht erkennbarer Nutzen dieses Tierversuchs.
Bei grosser Belastung für das Tier und nicht erkennbarem Nutzen für Mensch und Tier ist dieser Versuch ethisch unserer Auffassung nach nicht vertretbar.
Gemäss den Richtlinien der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften gilt:
'4.6: Versuche, die dem Tier schwere Leiden verursachen, müssen vermieden werden, indem durch Änderung der zu prüfenden Aussage andere Versuchsanordnungen gewählt werden, oder indem auf den erhofften Erkenntnisgewinn verzichtet wird. Als schwere Leiden gelten Zustände, welche ohne lindernde Massnahmen als unerträglich zu bezeichnen sind.'
4. Vereinbarkeit mit dem Tierschutzgesetz
Gemäss dem Tierschutzgesetz Art. 13 Abs.1 TSchG müssen Tierversuche auf 'das unerlässliche Mass' beschränkt werden
A) Die finale Unerlässlichkeit (rechtfertigt der Versuchszweck eine Bewilligung?)
Da wir, wie unter Punkt 3 dargelegt, keinen absehbaren Nutzen dieses Versuchs erkennen können, besteht unserer Ansicht nach keine finale Unerlässlichkeit für diesen Tierversuch.
B) Die instrumentale Unerlässlichkeit (ist dieser Tierversuch das einzige Mittel um die angestrebte Erkenntnis zu gewinnen?)
Ob das Versuchsziel nicht auch auf andere Art, zumindest unter Verwendung einer weniger hoch entwickelten Spezies hätte erreicht werden können, möchten wir nicht abschliessend beurteilen.
FAZIT: Da die finale Unerlässlichkeit nicht gegeben ist, widerspricht unserer Auffassung nach dieser Tierversuch dem Schweizerischen Tierschutzgesetz.