Beispiel 4 fragwürdiger Tierversuche in der Schweiz: Rückenmarksversuche mit Affen an der Uni Fribourg
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(Anmerkung: diese Bewertung betrifft den oben stehenden Versuch in der Grundlagenforschung und nicht spätere Versuche mit direkter Anwendung der NoGo-Antikörper)
Bewertung der Ärztinnen und Ärzte für Tierschutz in der Medizin
1. Bewertung des Schweregrads des Tierversuchs
gemäss Richtlinien des Bundesamtes für Veterinärwesen BVET 1.04 'Einteilung von Tierversuchen nach Schweregrad'.
(Schweregrad 0 = keine Belastung, Grad 1 = leichte Belastung, Grad 2 = mittlere Belastung, Grad 3 = schwere Belastung)
Deklarierter Schweregrad: BVET-Schweregrad ?
Effektiver Schweregrad gemäss unserer Einschätzung: BVET-Schweregrad 2-3 = grosse Belastung
Begründung für den Schweregrad:
Schweregrad 2 nach BVET:
Hirnläsionen: Ausschalten von definierten Nuclei oder Bahnen in Narkose, wenn funktionelle Störungen mit mittelgradigen Auswirkungen auf das Allgemeinbefinden zu erwarten sind.
Beispiele: Läsion des Lobus cortico-frontale; Ausschalten einer efferenten motorischen Bahn
Schweregrad 3 nach BVET:
Hirnläsionen: Setzen von gezielten (mehrere Zentren betreffende) Läsionen in Narkose, welche zu erheblichen funktionellen Störungen führen.
Beispiele: Modelle mit Ablation grösserer Hirnrindengebiete
2. Bewertung des Nutzens für Mensch und Tier
Nützlichkeitsgrad 0 = kein Nutzen oder nur ein fraglicher Nutzen erkennbar für Mensch und Tier
Unsere Hauptkritikpunkte sind:
1. Diese Versuche wurden letztlich unternommen um die Heilungschancen bei Rückenmarksverletzungen besser abschätzen zu können. Wenn eines Tages Medikamente zur besseren Heilung von Rückenmarksverletzungen vorliegen würden, dann würde man diese aber mit Sicherheit an Mensch und Tier weiter evaluieren, völlig unabhängig davon, wie diese Versuche herausgekommen sind oder wären.
2. Namhafte Experten sehen in diesem Versuch nicht den geringsten praktischen Nutzen (diese Meinungen liegen uns schriftlich vor und können per email angefordert werden)
3. Theoretisch erfolgversprechende Therapien werden letztlich am Menschen evaluiert, sogar wenn Tierversuche keinen Nutzen ergaben oder sogar eher eine ungünstige Wirkung vermuten lassen. Dies beweisen verschiedene Studien. Der Grund liegt in der mangelnden Übertragbarkeit von Studienresultaten vom Tier auf den Menschen.
(‘Nimodipine in Animal Model Experiments of Focal Cerebral Ischemia. A Systematic Review. J. Horn, MD; R.J. de Haan, PhD; M. Vermeulen, MD; P.G.M. Luiten, PhD; M. Limburg, MD, Stroke. 2001;32:2433-2438’
'Where is the evidence that animal research benefits humans?' Pandora Pound, Shah Ebrahim, Peter Sandercock, Michael B Bracken, Ian Roberts on behalf of the Reviewing Animal Trials Systematically (RATS) Group, BMJ 2004;328:514–7’)
4. Ähnliche Versuche werden seit 1909 immer wieder durchgeführt, mit jeweils widersprüchlichen Ergebnissen. Auch dieser Versuch ergab, wen erstaunt es, erneut ein nicht eindeutiges Ergebnis.
5. Bei diesem Tierversuch handelt es sich um reine Grundlagenforschung. Für Grundlagenforschung sollten heutzutage aber keine Affen mehr eingesetzt werden.
Der wissenschaftliche Lenkungsausschuss der EU-Kommission (Scientific Steering Committee SSC) hat sich im April 2002 mit den Folgen eines gänzlichen Verzichts auf Primatenversuche beschäftigt. Er kam zum Schluss, dass diese in gewissen Bereichen unvermeidlich sind. Die Gebiete, in denen Primaten(=Affen-)versuche unvermeidbar seien ortete er in folgenden Bereichen:
Medikamenten- und Impfstoffentwicklung zur Vorbeugung und Heilung von
- Aids
- BSE
- Malaria
- Grippe
Gleichzeitig betonte er aber, dass unnötige Versuche und Doppelversuche unter allen Umständen vermieden werden müssen. Weiter forderte er eine europaweite Koordination.
Der oben beschriebene Versuch gehört nicht zu einer der obigen Kategorien unverzichtbarer Affenversuche.
3. Abwägung von Belastung für das Tier und zu erwartendem Nutzen
Auf der Seite der Belastung für das Tier besteht die Belastungskategorie 2-3.
Dem gegenüber steht ein nicht absehbarer Nutzen dieses Tierversuchs.
Dieser Versuch ist unserer Auffassung nach ethisch nicht vertretbar. Dies wegen
- der grossen Belastung für das Tier
- ein nicht absehbarer Nutzen für Mensch und Tier gegenübersteht
- namhafte Experten dem Versuch jegliche praktische Relevanz absprechen
- ähnliche Versuche früher bereits stattfanden
- Affen verwendet werden trotz nicht ausgewiesener Berechtigung gemäss Lenkungsausschuss der EU
Dieser Versuch hätte nie bewilligt werden dürfen!
Dieser Versuch hat aber erst recht keine Förderung mit Steuergeldern verdient!
Trotzdem wurden die Affenversuche in Fribourg mit öffentlichen Geldern vom Schweizerischen Nationalfonds gefördert.
Es handelt sich auch nicht um kleine Beträge:
Projekt Nr | Kosten (SFr.) | Dauer |
3100-043422 | 498578 | 1.10.95-30.9.2000 |
4038-43918 | 761972 | 1.10.2000-30.9.2005 |
31-61857.00 | 849556 | 1.10.2000-30.9.2005 |
2'110'106 |
Nicht genug, der Steuerzahler darf nicht einmal erfahren, warum der Nationalfonds diesen Versuch unterstützt.
Der Steuerzahler hat aber ein Anrecht darauf zu erfahren, wozu seine Gelder verwendet werden.
Wir fordern deshalb:
- keine Steuergelder für Tierversuche mit Schweregrad 3
- keine Steuergelder für Tierversuche mit Schweregrad 2 oder 3 mit Primaten in der Grundlagenforschung
- keine Steuergelder generell für Tierversuche mit mittlerer oder schwerer Belastung für das Tier, wenn kein absehbarer Gewinn für Mensch oder Tier erkennbar ist.
- Studienregister auch für Tiere
4. Vereinbarkeit mit dem Tierschutzgesetz
Gemäss dem Tierschutzgesetz Art. 13 Abs.1 TSchG müssen Tierversuche auf 'das unerlässliche Mass' beschränkt werden
A) Die finale Unerlässlichkeit (rechtfertigt der Versuchszweck eine Bewilligung?)
Da wir wie auch namhafte Experten, wie unter Punkt 3 dargelegt, keinen absehbaren Nutzen dieses Versuchs erkennen können, besteht unserer Ansicht nach keine finale Unerlässlichkeit für diesen Tierversuch.
B) Die instrumentale Unerlässlichkeit
(ist dieser Tierversuch das einzige Mittel um die angestrebte Erkenntnis zu gewinnen?)
Auch die instrumentale Unerlässlichkeit ist unserer Auffassung nach aufgrund obiger Ausführungen nicht gegeben.
FAZIT: Da die Unerlässlichkeit nicht gegeben ist, widerspricht unserer Auffassung nach dieser Tierversuch dem Schweizerischen Tierschutzgesetz.
Bemerkungen:
Bewertung des Nutzens:
Zur Bewertung des Nutzens eines Tierversuchs gibt es keine etablierte Skala analog der obigen des Bundesamtes für Veterinärmedizin für die Belastung.
Die Ärztinnen und Ärzte für Tierschutz in der Medizin haben deshalb ein einfaches Bewertungsschema für den Nutzen entworfen. Es ist bewusst einfach und pauschal gehalten und verzichtet auf Pseudogenauigkeit, da ein zukünftiger Nutzen immer Spekulation bleiben muss.
In Anlehnung an die Kategorien des Schweregrades des BVET haben wir uns zwecks optimaler Vergleichbarkeit von Belastung und Nutzen deshalb für ein Schema mit Grad 0 – 3 entschieden.
Die ‚Nützlichkeitsgrade’ sind: Nützlichkeitsgrad 0 = kein Nutzen absehbar für Mensch oder Tier, Grad 1 = leichter Nutzen, Grad 2 = mittlerer Nutzen, Grad 3 = hoher Nutzen.
Die Bewertung erfolgt durch erfahrene Ärzte verschiedener Fachrichtungen, wozu auch Nicht-Mitglieder der Ärzte für Tierschutz beigezogen werden.
Gemäss den Richtlinien der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften gilt:
'4.6: Versuche, die dem Tier schwere Leiden verursachen, müssen vermieden werden, indem durch Änderung der zu prüfenden Aussage andere Versuchsanordnungen gewählt werden, oder indem auf den erhofften Erkenntnisgewinn verzichtet wird.