Transparenz und Amtsgeheimnis


Stimmbürger entscheiden über Tierversuche.
Steuerzahler finanzieren diese zu weiten Teilen.
Dass Stimmbürger und Steuerzahler sich somit über Tierversuche gut müssen informieren können liegt auf der Hand.

Dem wird auch Rechnung getragen mit dem Bundesgesetz über das Oeffentlichkeitsprinzip: «Danach hat jedermann Anspruch auf Zugang zu amtlichen Dokumenten der Bundesverwaltung, sofern nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen dem Zugang entgegenstehen.»


Wie transparent ist der Tierversuchsbetrieb wirklich?

 Von tierversuchsorientierten Forschenden selbst wird regelmässig behauptet, das Tierversuchswesen sei sehr transparent.
Wenn man dies überprüft, dann sieht es ganz anders aus.Die tierversuchsbasierte Forschung ist auf öffentliche Gelder angewiesen und ist sich der regelmässig wiederkehrenden Abstimmungen zum Thema Tierversuche bewusst. Sie hat deshalb ein vitales Interesse an der Öffentlichkeit.

Dementsprechend behauptet sie auch nicht nur sehr tierfreundlich, sondern auch sehr transparent zu sein. Sie hat eigens Organisationen geschaffen, deren Mitglieder sich zur Transparenz verpflichten, zB STAAR, Swiss Transparency Agreement on Animal Research oder BOARD24, die jedes Jahr einen Aktionstag machen, in dem jedes Institut seine 'Transparenz' verkündet, siehe nebenstehende Posts.

Sobald man etwas mehr über einzelne Tierversuche wissen will, stösst man aber schnell an die Grenzen dieser Transparenz. 

Es gibt zwar in der Schweiz eine Tierversuchsstatistik. Sie vermittelt aber nur pauschale Summen wie zB Anzahl Versuche mit Mäusen an Universitäten im Jahr 2022. Sie lässt keinen Einblick in einzelne Tierversuche zu.
Dasselbe gilt beim verfügbaren Bericht über abgeschlossene Tierversuche.

 





Das Oeffentlichkeitsprinzip - wird in der Schweiz faktisch nicht erfüllt!

Das Oeffentlichkeitsprinzip erlaubt es, den Versuchsantrag zu einem bestimmten Versuch beim BLV anzufordern. Diesen erhält man auch, aber mit einer Wartezeit bei von uns angeforderten Versuchen von 6 Monaten und mit so vielen Schwärzungen, dass nicht mal für Aerzte erkennbar wird, wie der Versuch genau durchgeführt wurde oder was der genaue Gewinn dieses Versuchs hätte sein sollen. Genau die entscheidenden Passagen für die Beurteilung des Versuchs im Sinne einer Güterabwägung werden am ausgedehntesten geschwärzt mit Verweis auf Rechte wie geistiges Eigentum oder wirtschaftliche Interessen der Forscher. Ein Beispiel zu einem Affenversuch sehen Sie rechts. Genau bei so heiklen Versuchen, bei denen es einerseits um Affen geht und andererseits viel Geld ausgegeben wird, müsste die Transparenz am grössten sein für den Steuerzahler und Stimmbürger!

 








Der Schweizerische Nationalfonds finanziert Affenstudien im Ausland mit Steuergeldern, obwohl für den Steuerzahler weder Tierhaltung noch Güterabwägung einsehbar sind.
Der SNF (Schweizerischer Nationalfonds) unterstützt viele Projekte und ist in vielen Bereichen vorbildlich. So findet sich auf seiner öffentlich zugängigen Homepage jedes Projekt mit Forscher, Titel, oft Projektbeschreibung, Fördersumme. Bei diesen Fördersummen handelt es sich oft um sehr hohe Beträge. Die meisten Projekte mit Affen kosten beispielsweise mehrere hunderttausend Franken.
Somit ist dann das Interesse des Stimmbürgers ("Sollen Affenversuche erlaubt sein?") sowie des Steuerzahlers ("Sind diese Geldsummen gewünscht in Zeiten knapper Bildungsgelder?") mehr als berechtigt.
Umso erstaunlicher dann auch hier wieder die Grenzen der Transparenz: so wurden beispielsweise 113'000 SFr für einen Affenversuch bewilligt ("Choking under pressure"), der in Pittsburgh USA stattfinden wird. In der Kurzbeschreibung wird wenig über die eigentlichen Versuche mitgeteilt und der Versuchszweck ist in unseren Augen sehr fraglich.
Eine Nachfrage beim SNF mit der Frage warum genau dieser Versuch gefördert wurde blieb unbeantwortet.
Eine Nachfrage beim Gesuchsteller selbst in Pittsburgh ergab lediglich die Auskunft, dass der Versuch unter amerikanischem Recht durchgeführt wird und wir zu keinerlei Information berechtigt seien.
Und dies, obwohl wir ihn finanzieren!

Erhalten wenigstens Forscher Einblick in bereits durchgeführte oder laufende Tierversuche anderer Forscher?
Nein! Nicht einmal Forscher erhalten Einblick, ob ein geplanter Tierversuch allenfalls schon von anderen Forschern gemacht wird.
Dabei wäre dies unabdingbar, um unnötige Doppelversuche zu verhindern, was das mindeste ist, was wir den Versuchstieren schulden! Die Forschung an sich wird behindert und verlangsamt.
Erkannte Fehlschläge oder Nebenwirkungen können unterschlagen werden durch Nicht-Publikation. Dies gefährdet das nächste Versuchstier und zwangsläufig eines Tages den ersten Menschen, bei dem man eine neue Methode testet. Somit:

Fehlende Studienregister gefährden Patienten

 Die Eidgenössische Ethikkommission für die Biotechnologie im Ausserhumanbereich EKAH verlangt 'möglichst offenen Informationsaustausch zwischen den Forschenden, um die Anzahle Tierversuche so gering wie möglich zu halten' in ihrem Bericht zu Xenotransplantation 2024. Weiter schreibt sie 'Das Bestreben, Patente zu erwerben, hat jedoch gegenläufige Auswirkungen, da die Forschenden sich zugleich konkurrieren.'

Andere Länder sind viel weiter als die Schweiz.
Dass es auch anders geht zeigt das Beispiel Norwegen: hier hat jedermann Zugriff auf das Studienregister und erhält innert ca. 2 Wochen das gewünschte Dokument. Ohne Schwärzung, samt der Korrespondenz zwischen Tierversuchskommissionen und Forschern!

Im juristischen Standardwerk zu Tierversuchen ‘Güterabwägung im Tierversuchsbewilligungsverfahren’ schreibt die Juristin Dr. iur. Vanessa Gerritsen von 'Tier im Recht' zum Thema Transparenz:
"Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die gesellschaftlichen Vorteile des Zugangs zu allen relevanten Informationen nach dem Vorbild von Norwegen und Schweden die Vertraulichkeitsrechte von Forschern und kommerziellen Geldgebern deutlich überwiegen. Dennoch steht der Schutz persönlicher und monetärer Interessen Privater in der Schweiz aktuell über dem Unversehrtheitsbedürfnis der betroffenen Versuchstiere, und dies in eklatantem Widerspruch zur gesetzlichen Unerlässlichkeitsforderung in Bezug auf Tierversuche. Während mit Hinweis auf die dringende Notwendigkeit neuer Therapien selbst schwerbelastendeTierversuche ohne Weiteres genehmigt werden, ist die Geheimhaltung von Versuchsdaten, deren Offenlegung im Übrigen für eine schnellere und effizientere Forschung von eminenter Bedeutung sein könnte, allein zur Wahrung privater Geschäfts- und Fabrikationsgeheimnisse Standard.
Den Wirtschaftsinteressen Einzelner kommt in der Schweiz damit faktisch Vorrang vor der Volksgesundheit und der Achtung der Tierwürde zu." 

Transparenz bei Tierversuchen muss gelebt werden und nicht nur behauptet.
Dies schulden wir den Steuerzahlern, Stimmbürgern, den Versuchstieren, den Forschern, und letztlich vor allem den Patienten, welche bei nicht publizierten Nebenwirkungen im Tierversuch unnötig einem Risiko ausgesetzt sind.

Die Ärztinnen und Ärzte für Tierschutz in der Medizin fordern deshalb 

Lesen Sie auch unsere Seite Studienregister für Patientensicherheit.

Positive Entwicklungen
Es gibt aber auch positive Entwicklungen. So hält der Schweizerische Nationalfonds auf seiner Homepage fest:
'Mit öffentlichen Mitteln geförderte Forschung sollte möglichst gut öffentlich und gebührenfrei zugänglich sein. Der SNF hat sich diesem Ziel verpflichtet. Open Science ist der Überbegriff für alle Aktivitäten, die auf eine Öffnung der Wissenschaft hinarbeiten und einen Paradigmenwechsel beinhalten: Zum Beispiel Open Access to publications (freier Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen) und Open Data (freier Zugang zu Forschungsdaten) sowie der Übergang zu einer Dora-konformen Forschungsförderung.'

Dass das Thema nicht neu ist sehen Sie am untenstehenden Vortrag von PD Dr. med. vet. Franz P. Gruber anlässlich einer Pressekonferenz zum Thema Amtsgeheimnis vom 23.2.2006:
(gekürzt)
Deutschland und die Schweiz bilden das Schlusslicht in Europa, was die Informations-Rechte der Bürger angeht. Selbst in Bosnien dürfen Bürger erfahren, welche Ausgaben der Staat mit ihren Steuergeldern tätigt, nicht so hier.
Basierend auf einem urdemokratischen Recht hat dieser Informationsanspruch seine längste Tradition in Schweden. Bereits 1766 erhielten im Rahmen der Pressefreiheit die Bürger das Recht, amtliche Dokumente einzusehen. Dieses Recht wurde in der schwedischen Verfassung verankert. Was in Schweden „Offentlighetsprincipen“ genannt wird ist mittlerweile weltweit unter dem Begriff „Freedom of Information“ oder „The Principle of Public Access“ bekannt.
In den USA wurde dieses Recht von Bill Clinton 1996 sogar so perfekt ausgebaut, dass es per Internet-Anfrage wahrgenommen werden kann.
Im Sommer 2005 hatte ich Gelegenheit, vor der parlamentarischen Gruppe Tierschutz in Bern das Thema Amtsgeheimnis im Zusammenhang mit den Bewilligungsverfahren für Tierversuche vorzutragen und zu diskutieren. Aus den Reihen gerade der SVP hörte ich völlig ungläubiges Staunen. Tenor: Man wäre doch hier in der Schweiz und da könne man doch über alles reden.
Kann man nicht. Die amtliche Geheimniskrämerei geht so weit, dass Mitglieder der kantonalen Tierversuchskommissionen zur Beurteilung von Bewilligungsversuchen nicht einmal Fachleute zu bestimmten Themen einschalten dürfen, ohne sich der Verletzung von Amtsgeheimnissen schuldig zu machen.
Wem dient das Amtsgeheimnis? Vorgeschoben wird die Privatsphäre des Wissenschaftlers, der sich sonst womöglich vor öffentlichen Anfeindungen kaum schützen könne. Juristisch formuliert würde man dem entgegnen, ist das Amtsgeheimnis in diesem Fall nicht angemessen, denn es verhindert das bekannt werden extremer Tierversuche nicht. Zu viele Personen sind heutzutage mit diesen Experimenten befasst um eine echte Vertraulichkeit zu gewährleisten.
Soll das geistige Eigentum des Wissenschaftlers geschützt werden? Auch hier ist das Mittel des Amtsgeheimnisses völlig überzogen. Denn die Öffentlichkeit will ja nicht wissen, mit welchen Substanzen explizit ein Forscher experimentiert, welche Operationstechniken entwickelt werden. Frau und Mann wollen ja nur wissen, wem das Experiment dient, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein medizinischer Fortschritt erwartet werden kann und welchen Belastungen die Tiere ausgesetzt sind.
Also ist auch hier das Amtsgeheimnis eine unverhältnismässige Beschränkung der Informationsfreiheit.
Will die Behörde sich selbst schützen? Möchte die kantonale Bewilligungsinstanz nicht Vorwürfen ausgesetzt sein, einen Versuch bewilligt zu haben, obwohl ein Nutzen für die Menschen kaum absehbar ist, der Versuch aber mit Sicherheit schwerste Belastungen der Tiere mit sich bringt?
Ich selbst bin nun seit 19 Jahren in einer solchen Bewilligungskommission tätig. Aus meiner Erfahrung kann ich Ihnen verraten, dass die von den Antragstellern behaupteten klinischen Fortschritte für den Menschen zu 90% pure Spekulation sind. Sie werden behauptet, um die Bewilligung zu bekommen, nicht weil man sie selbst ernsthaft glaubt.
Bewilligungsbehörden sind in einer gewissen Weise wissenschaftsgläubig. Zumindest macht dies weniger Stress als akademische Behauptungen auf ihren Wahrheits- oder Wahrscheinlichkeitsgehalt hin zu überprüfen. Leichter ist es, die Öffentlichkeit im Ungewissen darüber zu lassen, was überhaupt gemacht wird, welche Argumente dafür und welche dagegen sprachen. Auch Angst vor (halb-) informierten Laien mag eine Rolle spielen. Dabei kann der Tierschutz heute nun wirklich auf genügend Fachleute zurückgreifen, die in der Lage sind Anträge zu lesen und zu interpretieren.
Was bleibt also vom Amtsgeheimnis? Ein Stück Obrigkeitsdenken ist aus den feudalen Zeiten übrig geblieben und das ausgerechnet in der Schweiz, wo man doch den Respekt vor dem Gesslerhut längst glaubte abgelegt zu haben.

Wir fordern die Offenlegung zumindest der bewilligten Tierversuchsvorhaben inklusive Versuchszweck und Art und Zahl der Tiere sowie der zu erwartenden Belastungen.

Wir fordern als Sofortmassnahme das Recht für Angehörige von Bewilligungskommissionen, den Rat von Spezialisten einholen zu können.

Und wir fordern einmal mehr eine öffentliche Debatte über in der Gesellschaft akzeptierte und nicht akzeptierte Versuchsziele. Wir wollen, dass z.B. die Chancen, Risiken und die Belastungen für Mensch und Tier bei der so genannten Xenotransplantation – um nur ein anschauliches Beispiel zu nennen – öffentlich diskutiert werden und die gemachten schwer belastenden Tierversuche nicht heimlich im Ausland durchgeführt werden.

Wir fordern, dass Behauptungen, wie sie vor Abstimmungskampagnen immer wieder von Seiten der Wissenschaft in den Raum gestellt werden, von der Wissenschaftsgemeinde aufs Schärfste zurückgewiesen werden. Wir haben hier ja nicht nur keine Informationsfreiheit, wir sind ja auch noch zahllosen Vernebelungstaktiken ausgeliefert. Dies hat mit einem modernen, bürgerfreundlichen Staatswesen nicht zu tun.