Roadmap - TPI


Das Konzept Roadmap

Die Idee der Roadmap (=Strassenkarte) zum Ausstieg aus Tierversuchen beinhaltet das Bekenntnis aus Tierversuchen aussteigen zu wollen. Zur höheren Verbindlichkeit werden Zwischenziele definiert, die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erreichen sind.

Pionier in diesem Konzept war Holland. Hollands Regierung lancierte 2016 das ‘Transition Programme for Innovation without the use of animals’ TPI mit dem Ziel Tierversuche bis 2025 zu eliminieren. Das Zieljahr 2025 wurde aktuell aufgehoben, aber das Programm läuft weiter. Initiant war der niederländische Staatssekretär für Wirtschaft, Martijn van Dam, der das National Committee for the protection of animals used for scientific purposes (NCad) beauftragte, einen (zeitlichen) Plan für die schrittweise Abschaffung von Tierversuchen zu erstellen.
Die Umsetzung erwies sich als ungemein schwierig, da sehr viele Behörden, Institutionen und Interessensvertreter beteiligt sind. Es kommt deshalb nur langsam voran und ist noch längst nicht abgeschlossen.


Wollen Schweizerinnen und Schweizer eine Roadmap?

68% der Schweizerinnen und Schweizer finden, die Regierung sollte sich zum Übergang in eine Forschung ohne den Einsatz von Tieren verpflichten.
Dies ist das Resultat einer europaweiten Umfrage der Eurogroup for animals 2022.
Die Schweiz hat bis heute aber weder den Ausstieg aus Tierversuchen als Ziel bestätigt noch irgendeine Form von Roadmap angedacht!
Wir fordern deshalb den Bund auf, den Volkswillen umzusetzen, sich zum Staatsziel Ausstieg aus Tierversuchen langfristig zu bekennen und eine Strategie hierzu aufzustellen!

Die Resultate für ganz Europa finden Sie hier.


Wo steht die Schweiz im internationalen Vergleich beim Übergang zu tierversuchsfreien Methoden?

Die Schweiz ist bezüglich Ersatz von Tierversuchen durch neue humanbasierte Techniken und Reduktion der Tierversuchszahlen ein Schlusslicht statt Vorreiterin:
- Kein offizielles Ziel, die Tierversuchszahlen zu reduzieren,
- Kein Programm für den Übergang zu tierversuchsfreien Methoden, wie es viele fortschrittlichere Staaten haben.

Hier nun was andere Staaten in dieser Richtung unternehmen:

2019 beschloss die Environmental protection agency EPA der Food and Drug Administration FDA in den USA bis 2035 aus Tierversuchen für Giftigkeitstestungen an Säugetieren auszusteigen und zu Alternativmethoden wie in silico modelling, organs on a chip und ähnliche neuere Techniken zu wechseln. Gleichzeitig soll die finanzielle Förderung von Tierversuchen aus Steuergeldern ab 2025 um 30% gekürzt und ab 2035 ganz gestrichen werden. Das Enddatum 2025 wurde später wieder gestrichen, da zu ambitioniert.

2020 hat in Norwegen der nationale Ausschuss für Versuchstiere eine Studie initiiert, welche eine Beschränkung der Tierversuche zugunsten der tierversuchsfreien Methoden zum Ziel hat, einen konkreten Ausstiegsplan aus Tierversuchen sowie die Errichtung eines staatlichen 3R-Instituts, das es in Norwegen noch nicht gab.

2021 beschloss das Europaparlament mit 667:4 Stimmen (97%) die Europakommission aufzufordern einen europaweiten Aktionsplan zu etablieren zur Eliminierung von Tierversuchen. Inbegriffen ist eine gezielte finanzielle Förderung tierversuchsfreier Projekte und deren Schulung.

2022 richtete wieder Holland eine Professur ein für „Evidence-Based Transition to Animal-free Innovations“ (Evidenzbasierter Übergang zu tierversuchsfreien Innovationen) an der Universität Utrecht. Dies geht deutlich weiter als die übliche 3R-Bemühungen.

2022 unterzeichnete der amerikanische Präsident Joe Biden ein Gesetz im Rahmen des Modernization Act 2.0 der FDA (Food and Drug Administration), dass tierversuchsfreie Verfahren bei der Zulassung von neuen Medikamenten anerkannt werden. Das Wort „Tier“ im Gesetz wird durch „präklinisch“ ersetzt.

2023 erliess der kanadische Senat ein Gesetz, das die Regierung verpflichtet innerhalb von 2 Jahren einen konkreten Plan zu erarbeiten, um aus Tierversuchen auszusteigen im Bereich 'safety testing'.

2023 schrieb in England die UK Food Standards Agency UK FSA in einem Artikel: “Paving the way for a UK Roadmap: Development, Endorsement and Regulatory Acceptance of New Approach Methodologies (NAMs) in Chemical Risk Assessment and Beyond”.

Im März 2023 haben die Niederlande zusätzlich zu ihrem bereits bestehenden 3R-Zentrum rund 125 Millionen Euro für die Etablierung eines weiteren 3R- Forschungszentrums zur Verfügung gestellt, welches sich ausschliesslich auf den Übergang der biomedizinischen Forschung zu tierfreien Forschungsmodellen konzentrieren wird.

2023 verkündete die EU-Kommission in einer Presseerklärung vom 25.7.2023: ..Darüber hinaus wird die Kommission einen neuen Fahrplan mit einer Reihe legislativer und nichtlegislativer Maßnahmen zur weiteren Verringerung von Tierversuchen auf den Weg bringen, um letztendlich zu einem tierversuchsfreien Regulierungssystem im Rahmen des Chemikalienrechts (z. B. REACH, Verordnung über Biozidprodukte, Pflanzenschutzmittelverordnung sowie Bereich Human- und Tierarzneimittel) überzugehen, und sie wird Alternativen zu Tierversuchen weiterhin nachdrücklich unterstützen.
Hierzu organisiert sie workshops. 

Der 1. Workshop der Europäischen Kommission mit dem Titel «The Roadmap Towards Phasing Out Animal Testing for Chemical Safety Assessments» fand vom 11.-12.12.2023 in Brüssel statt. 

Zur Vorbereitung des 2. Workshops organisierten Eurogroup for Animals und 4 weitere Tierschutzorganisationen ein Meeting (Roundtable) mit zahlreichen Interessenvertretern von Behörden, Akademien, Industrie, NGOs und anderen im Juni 2024. Deren Report finden Sie hier

Der 2. Workshop der EU Kommission zur Roadmap towards phasing out animal testing for chemical safety assessment fand am 25.10.2024 in Brüssel statt. Ein ausführlicher Bericht wird noch erstellt.

2024 verkündet das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft BMEL im Rahmen einer Presseerklärung: Tierversuche durch Alternativmethoden nachhaltig reduzieren: BMEL startet Beteiligungsprozess für Reduktionsstrategie mit Experten-Treffen.
Die Bundesregierung will Tierversuche auf ein unerlässliches Mindestmaß beschränken und die Entwicklung von Alternativmethoden vorantreiben. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) entwickelt dazu federführend einen strategischen Ansatz unter enger Einbindung von Wissenschaft, Forschung, Wirtschaft und Tierschutzorganisationen sowie der fachlich betroffenen Bundesministerien.

Im November 2024 beschliesst auch Brasilien eine Roadmap: "Brazil’s Senate has approved a new chemical management bill that restricts animal testing to a “last resort” and requires development of a strategic plan to fully transition away from animal use. These measures, if endorsed by Brazil’s president, will compel the adoption of modern, human-relevant science, benefiting citizens, the environment, and animals alike. “We commend the Government and Congress for their leadership in protecting animals used in chemical safety testing. By prioritizing animal-free methods, Brazil is positioning itself as a leader in ethical science and setting an example for other countries to follow” said Antoniana Ottoni, senior federal affairs specialist for Humane Society International in Brazil.

Nichts dergleichen in der Schweiz...!


Wie entwickeln sich die Tierversuchszahlen in der Schweiz?

In der Schweiz sind die Tierversuchszahlen seit Jahren eher am steigen als am sinken. Sogar der Schweregrad der Versuche nimmt tendenziell eher zu als ab.

Somit haben alle Bemühungen der Schweiz, die Zahl und den Schweregrad der Tierversuche zu senken, ihr Ziel verfehlt. 
Insbesondere hat sich die Meinung, die Tierversuchszahlen reduzieren zu können, mit dem Prinzip 3R als falsch erwiesen.
Dies, nachdem explizit hierfür ganze Kompetenzzentren gegründet wurden, das 3RCC (3R Competence Center), wobei 3R steht für das Prinzip, Tierversuchen möglichst zu verfeinern (refine), deren Versuchstierzahl zu vermindern(reduce) oder ganz auf eine tierversuchsfreie moderne Methode zu wechseln (replace).

Es gibt auch keinen Grund anzunehmen, dass dies sich ändern wird ohne ein grundsätzlich neues Konzept. 
- Es wird eher immer mehr als immer weniger geforscht. Trotz Vorliegen vieler tierversuchsfreier Methoden, welche in ihrem speziellen Gebiet die Tierversuchszahlen senken, gibt es auch immer mehr konventionelle, tierversuchsbasierte Ansätze, womit die Tierversuchszahlen trotzdem steigen.
- Es gibt kein offizielles Staatsziel, die Tierversuchszahl zu vermindern.
- Es gibt kein Amt und keinen universitären Lehrstuhl, der hierfür zuständig wäre. Auch nicht das 3RCC.


Aus diesem Grund fordern die Ärztinnen und Ärzte für Tierschutz in der Medizin:

  • Ein klares Willensbekenntnis des Bundes zum Übergang zu tierversuchsfreien Methoden,
  • die Gesamtzahl der Tierversuche zu senken,
  • den derzeit steigenden Schweregrad der Tierversuche zu senken,
  • eine klare Strategie zum längerfristigen Ausstieg aus Tierversuchen

Hierzu benötigt es unserer Meinung nach wegen der Komplexität des Plans ein nationales Zentrum, das mit der Erstellung der Roadmap und deren Umsetzung betraut ist, einen universitären Lehrstuhl, eine Bundesbehörde, gesetzliche und finanzielle Rahmenbedingungen.

Gleichzeitig müssen aber unbedingt neue Anstrengungen unternommen werden, auch jetzt schon die Tierversuchszahlen zu senken. 

Dies durch

  • Finanziell prioritäre Förderung von tierversuchsfreien Projekten
  • Reorganisation der Tierversuchskommissionen, da diese mit ihrer durchschnittlichen Bewilligungsquote von ca. 99% ihrer Aufgabe, diese Versuchsanträge kritisch zu beurteilen, in keiner Weise gerecht werden (siehe auch unsere Rubriken 'Tierversuchskommission').
  • Hierzu müssten Spezialisten für tierversuchsfreie Forschungsmethoden regelmässig beigezogen werden
  • Diese müssten von extern sein, um nicht befangen zu sein
  • Um diese überhaupt beiziehen zu können, müsste das Amtsgeheimnis fallen, das es derzeit den Tierversuchskommissionsmitgliedern faktisch verbietet mit externen Personen Versuchsprojekte zu besprechen.
  • Um genügend Expertise zu erreichen, müssten die Spezialisten für die verschiedenen humanbasierten Methoden in einem Zentrum zusammengefasst werden. Dies wird kantonal nicht möglich sein, wegen zu geringer Zahl von Experten, sondern nur mit einer zentralen eidgenössischen Tierversuchskommission oder einem ohne Amtsgeheimnis uneingeschränkt zugänglichen 3R Zentrum wie z.B. 3RCC. Derzeit ist dieses aber finanziell nicht mit genügend Ressourcen ausgestattet, um diese zusätzliche Aufgabe zu bewältigen.